Helith

Ein Gott der Angelsachsen

© Copyright Englisch und Deutsch: Gunivortus Goos, 2013.
© Copyright Niederländisch: Gunivortus Goos, 2020.

Vorwort

Die Namen Helia, Heile, Helið und Helith sind überliefert worden in verschiedenen mittelalterlichen Publikationen und spätere Veröffentlichungen als Namen für eine heidnische Gottheit, die im Südwesten des anglosächsischen England verehrt wurde. Es es schon auffallend, das diese Aufzeichnungen in entsprechenden aktuellen wissenschaftlichen Werken nicht vorkommen, nicht einmal in Fußnoten. Deshalb schließt dieser Beitrag, in dem die beiden Autoren sowohl ihrem Hang nach dieser Art der Aufklärung als auch ihrer Leidenschaft für historische Forschung nachgehen konnten, eine ‚historische Lücke‘.

Gleich am Anfang sollte klar gemacht werden, dass die Quellen für Helith nicht so weit zurückgehen wie die für andere, den Angelsachsen zugeschriebene heidnische Götter, wie Hrêðe (Hrêða, Hretha, Hreda) und Ēostre (Ostara), deren erste schriftliche Nennung aus dem 7./8. Jahrhundert stammt und von BEDA VENERABILIS (Beda der Ehrwürdige, 672–735) bezeugt wurden.

Die frühesten schriftlichen Quellen für Helith sind etwa 400 bis 500 Jahre jünger. Während Bedas Werke innerhalb von hundert Jahre nach der Christianisierung geschrieben wurden, in einer Zeit, als es auch noch heidnische Angelsachsen gegeben haben mag, stammt das erste Zeugnis von Helith aus einer Zeit, als praktisch alle Engländer schon dem Christentum angehörten. Bezüglich der Helith-Nennungen darf aber angenommen werden, dass es ältere Dokumente gegeben haben wird, auf die die ersten Autoren der noch bestehende Aufzeichnungen sich gründeten. Leider sind solche ältere Schriftstücke nicht mehr auffindbar; sie sind wohl verloren gegangen, wie so viele andere mittelalterliche Dokumente, die wir nur aus anderen Quellen kennen .

Wir hoffen, dass dieser Beitrag seinen Weg finden wird zu allen interessierten Menschen und zu neuen unterhaltsamen Gesprächen führt.

Der 15. Februar 2013
GardenStone & Swain Wodening

Etymologie

Vor der Darstellung der Quellen bezüglich Helith sollen die möglichen Bedeutungen des Namens erörtert werden, die Aufschluss geben könnten, um welcher Art Gottheit es sich hier handeln könnte. Teilweise bleibt das mehrdeutig, denn die Quellen geben diesem Gott unterschiedliche Namen.

Dabei muss beachtet werden, dass dabei die Lautverschiebungen von Altenglisch nach Mittelenglisch oder modernem Englisch nicht berücksichtigt werden. Das geschieht aufgrund der Überlegung, dass die  in diesen späten Quellen angegebenen Bezeichnungen wahrscheinlich Abwandlungen des ursprünglichen Namens sind.

Helia(e)

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Herkunft dieser Schreibweise des Namens:

Die Biographie des Karmelitermönchs Robert Bale, beheimatet in Norfolk in England und gestorben in 1503, trägt als Titel: “HISTORIA HELIAE PROPHETAE”, übersetzt: „Die Geschichte des Propheten Elija“ Heliae ist hier also das lateinische Wort für Elijah, das geht ursprünglich zurück auf Helios, das griechische Wort für Sonne. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Bedeutung als Göttername hier gemeint ist, denn ein heidnischer, angelsächsischer Gott wird wohl kaum nach dem griechischen Wort für Sonne genannt sein.

Helio ist möglicherweise eine korrekte moderne Übersetzung des lateinischen HELIAE. Wenn das in Verbindung zum Altenglischen gebracht wird, dann könnte das hinweisen auf:

hÚ-l u, hÚ-l-o, d.i. Gesundheit, Glück, Sicherheit, Befreiung, oder héa lic, d.i. Großartig, herausragend, stark, erhaben.

Es es aber auch möglich, dass hier ‚Helia‚ gelesen werden soll, weil Hauptwörter die auf ‚a‘ enden im Altenglischen männlich sind.

Dann gibt es die sicher auch reale Möglichkeit, das HELIAE eine kirchenlateinische Form eines altenglischen Namens ist. Vielleicht ist es sogar wahrscheinlich, dass es sich um eine Verballhornung handelt von Altenglisch hæle: ‚Mann, tapferer Mann, Held‘.

Zusätzlich ist es auch möglich, dass es zurückgeht auf das mittelenglische Wort heil, das erklärt wird als:

heil (a) Gesundheit, Wohlfahrt, Glück, Fortüne; in: jemand Glück und Wohlstand wünschen;

heil (b) jemands Gesundheit oder Glück und Fortüne, einen Trinkspruch beim Wein ausbringen, auf jemands Gesundheit oder Glück trinken.

Übersetzt aus: the Middle English Dictionary
http://quod.lib.umich.edu/cgi/m/mec/med-idx?type=id&id=MED20261

helið

Diese Schreibweise des Namens hat auch mehrere Erklärungen für eine mögliche Herkunft und Deutung des Gottes. Es könnte abgeleitet sein von oder zusammenhängen mit dem altenglischen hæleþ, das erklärt wird als:

hæleþ, heleþ, es; m. Ein Mann, Krieger, Held [Ein Wort das nur in Poesie auftaucht, dann aber auch oft] : Gleáwferhþ hæleþ ein weiser, vernünftiger geistesschärfer Mann, Cd. 57; Th. 70, 12; Gen. 1152 : 59; Th. 72, 6; Gen. 1182, 94; Th. 122, 13; Gen. 2026 : Beo. Th. 383; B. 190 : 668; B. 331. Hæleþas heardmóde ernsthafte Krieger Cd. 15; Th. 19, 2; Gen. 285. Hæleþ hátene wǽron Sem und Cham Iafeþ þridde die Helden hießen Shem und Ham, die Dritte Japhet, Cd. 75; Th. 93, 22; Gen. 1550. Hæleþa scyppend Schöpfer der Menschheit, Exon. 11 b; Th. 17, 7; Cri. 266 : Cd. 98; Th. 129, 6; Gen. 2139 : Andr. Kmbl. 41; An. 21. Hæleþa bearn Menschenkinder, Cd. 35; Th. 46, 30; Gen. 752. Heleþa sceppend Schöpfer der Menschheit, Hy. Grn. 8, 34. [Laym. hæleþ, heleþ : Alts. helið : OHD. Ger. helid (erscheint zum ersten Mal im 12. Jhd. v. Graft. iv. 544) : Ger. Held.]

From Jonathan Slocum, An Anglo-Saxon Dictionary, Univiersity of Texas at Austin, Linguistics Research Center in The College of Liberal Arts, Austin, 2009.

Zudem geht das altsächsische helið zurück auf dem protogermanischen *haluð- das Held, Krieger oder freier Mann bedeutet. Ein Beispiel der Verwendung dieses altsächsische Wort ist überliefert im „Heliand“, einem altsächsischen Gedicht aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, wo die Zeile 3137 lautet:

helið hardmôdig | endi te is hêrron sprac,

Übersetzt:
Der kühne Held sprach zu seinem Herrn,

Dieses Gedicht erhält in seiner vollständigen Form etwa 6000 Zeilen und Teile davon sind bewahrt geblieben in zwei fast kompletten Handschriften und vier kleineren Fragmenten. Das sog.  „Cotton Manuskript“ in der Britischen Bibliothek wurde vermutlich geschrieben in der zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts und ist eine der fast vollständigen Handschriften.

In der isländische Version des bekannten Weihnachtlieds “Es ist ein Ros entsprungen” steht in der 2. Strophe auf Zeile 2:

sem lífg ar helið kalt

Hier aber zeigt das Wort ‚helið‚ auf der Name des biblischen Propheten Jesaja und kann deshalb von den Erklärungsversuche des Götternamens ausgeschlossen werden.

Es könnte zusammenhängen mit dem mittelenglischen hél in der Erklärung:

hél (a) Gesund, geheilt (b) in guter Verfassung, wohlhabend (c) ganz, vollständig.

Übersetzt aus: the Middle English Dictionary
http://quod.lib.umich.edu/cgi/m/mec/med-idx?type=id&id=MED20299

Helith

Helith ist vermutlich eine Variante von Helið, die moderne Schreibweise des mittelenglischen Namens.

Helid-, Cald-OHG. helith, helidh, helid = Held, d.i. stark, kräftig, hervorragend, erhaben, hochgewachsen. Vgl. mnld. helle = hoch, groß, hervorragend,

Zurückzufinden in den germanischen Namen: Haledpreth; Caldobert; Halitgar; Halidmund; Halidrich; Halidwin; Halidulf

Siebs, Benno Eide, Die Personennamen der Germanen, Wiesbaden 1970

Hel(e), Heile

Hel(e), Heile hängt sehr wahrscheinlich zusammen mit dem altenglischen hál in der Deutung:

hál ; Adj. unversehrt, gesund, wohlauf, bei guter Gesundheit, Ton, sicher, ohne Betrug, ehrlich, oft in Anrede verwendet

Übersetzt aus: Joseph Bosworth and T. Northcote Toller: An Anglo-Saxon Dictionary

Im Mittelenglischen entwickelte es sich zu hél in der gleichen obigen Erklärung . Hál ist verwandt mit den altsächsischen Worten hê-l und hêl auf die die mittel- und modern-englischen Autoren beim Verwenden des Götternamens zurückgegriffen haben könnten.

a. hê-l* as.: nhd. Vorzeichen; ne. omen; ahd. heil; germ. *haila‑, *hailam, st. N. (a), Heil, Glück, Vorzeichen; mnd. hêil M., seltener N., Heil, Segen, Glück

b. hêl as., Adj.: nhd. heil, ganz, unverletzt, gesund; ne. whole (Adj.) germ. *haila‑, *hailaz, Adj., heil, gesund; idg. *kailo‑, *kailu‑, Adj., heil, unversehrt

Köbler, Gerhard, Altsächsisches Wörterbuch, 3. Ed., 2000ff.

Wahrscheinlich gehen alle dieser möglichen Namen zurück auf das proto-indo-germanische *kailo-; heil, unversehrt, unter gutem Gestirne, die zu unseren Worten heilig, unversehrt, gesund und Segen führen. Was aber nun genau der ursprüngliche Name des Gottes war und auf welche ältere Sprache er zurückgehen mag, sei jeder und jedem selber überlassen zu glauben. Die älteste überlieferte Schreibweise ist jedenfalls Heliae, aber Helith scheint eine akzeptable und die am häufigsten verwendete Form zu sein – da der Text in eine Art von Latein geschrieben wurde, das nach den klassischen Regeln nicht fehlerfrei ist, kann Heliae tatsächlich sehr gut eine Verballhornung eines altenglischen Originals sein.

Die Quellen

Gotselin

Goscelin, (auch: Gotselin oder Jocelyn) war Benediktinermönch und Autor von vielen Biographien englischer Heiliger. Er war in Nordfrankreich geboren und wurde wahrscheinlich 1053 nach England geholt durch Hermann, den Bischof von Salesbury. Um Stoff für seine Biographien zu sammeln, reiste er viel durch England und besuchte viele Kathedralen und Klöster. Er starb um 1099.

In einem seiner Berichte schreibt er über eine Missionsreise des Augustinus in die Grafschaft Dorset:

IBI QUOQUE ORATORIUM IN PERENNEM MEMORIAM DOMINICAE VISIONIS MOLITUS EST IN NOMINE DOMINI SALVATORIS. INDE ETIAM NONASTERIUM IN HONOREM PRINCIPUM APOSTOLORUM PETRI DEDICATUM CERNELIUM EST APPELLATUM, QUOD CONSTAT MONACHORUM CHORO DECORATUM. ILIUM AUTEM FONTEM AUGUSTINI NOMINE CONSECRATUM CREDENTIBUS ESSE SALUBERRIMUM, HIE UNUM DOCEBAT MIRACULUM, TESTE PROVINCIA PALAM DECLARATUM.

Dieser lateinischer Text ist Teil einer etwas längeren Erzählung. Hier folgt die ganze Geschichte in einer etwas freien Übersetzung auf Basis des Textes von William of Malmesbury; die Unterschiede der Einzelheiten der beiden Aufzeichnungen werden nachher bei Malmesbury dargelegt:

Als Sankt Augustinus in Dorset County (Grafschaft Dorset) reiste um das christliche heilige Evangelium zu verkünden, kam er auch in ein Dorf, deren sündhafte Einwohner sich nicht nur weigerten seine Doktrinen zu gehorchen, sondern ihn und seine Reisegenossen respektlos und schmähend aus ihrem Dorf verjagten und ihnen dabei unter Hohn Fischschwänze auf den Rücken banden: Dies führte zu einer neuen Steigerung der ewigen Pracht der Heiligen, aber auch zur ewigen Schande für die Verursacher. Denn es wird berichtet, dass es in der Natur dieser Generation Menschen lag, diese so missachtend auf den Rücken der heiligen Männer zu befestigen. Und Sankt Augustinus verließ das Dorf, wobei er die Schande der Dorfbewohner auf seinem Rücken trug, und er reiste mit seiner heiligen Gesellschaft etwa fünf Meilen durch wüste und unbewohnte Gegenden, grausam gequält von den drei bekannten Unannehmlichkeiten der Reisenden: Hunger, Durst und Müdigkeit, und als er bei einem Brunnen saß, ermüdet von der Reise, da gewährte ihm Jesus Christus seiner Anwesenheit und schenkte ihm Worte des himmlischen Trostes und Muts. Als sich der heilige Mann durch diese süße Quelle des ewigen Lebens erfrischt fühlte, ließ er sich sofort auf seinen Knien fallen und verehrte den Platz, wo sich die Fußabdrücke Christus‘ zeigten und er schlug dort mit seinen Stab auf die Erde und sofort entsprang da ein klarer Quell, aus dem kristallklaren Wasser sprudelte, von dem seine ganze Gruppe ihren schrecklichen Durst stillen konnte und ihren unendlichen Dank aussprachen dem allmächtigen Gott, der ihnen Hilfe gewährt hat in ihren Not. Und dieser Platz wurde später Cernel genannt, ein Name mit einem lateinischen und einem hebräischen Teil, denn CERNO bedeutet auf lateinisch ‚ ich sehe‘ und das hebräische ‚el‘ weist auf Gott. Denn dort wurde der heilige Apostel Augustinus gesegnet mit einer klaren Vision der Treue von Gott zu den Menschen. Zum Gedenken an dieses Ereignis wurde über den Brunnen eine Kapelle gebaut und dem Heiland gewidmet, denn mein Autor hat dort sowohl IHN, als auch den Brunnen gesehen und das Wasser heilte viele Krankheiten.

Quelle 1: Dorset Natural History and Archaeological Society, Proceedings for 1877-1927/28 issued by the society under its earlier name: Dorset Natural History and Antiquarian Field Club, vol. 22, Dorchester, 1901, p. 109,110

Quelle 2: Goscelini, (Gotselin, Jocelyn, †1099) „Historia Minor, 1091 CE., in: ANGLIA SACRA, sive COLLECTIO HISRIARUM, Antiquicus scriptarum DE ARCHIEPISCOPIS & EPISCOPIS ANGLIAE. A prima Fidei Christianae suceptione ad Annum MDXL, PARS SECUNDA.London, M.DC.XC.I

In einem anderen Bericht schreibt Goscelin:
IBI PLEBS IMPIA TENEBRIS SUIS EXCAECATA, ET DIVINAM LUCEM EXOSA, NON SOLUM AUDIRE NEQUIBAT VIVIFICA DOCUMENTA, VERUM TOTA LUDIBRIORUM ET OPPROBRIORUM TEMPESTATE IN SANCTOS DEI DEBACCHATA, LONGE PROTURBAT EOS AB OMNI POSSESSIONS SUA, NEE MANU PEPERCISSE CREDITUR ERFRENIS AUDACIA. AT DEI NUNTIUS JUXTA DOMINICUM PRAECEPTUM ET APOSTOLORUM EXEMPLUM, EXCUSSO ETIAM PULVERE PEDUM IN EOS, DIGNAM SUIS MENTIS SENTENTIAM, NON MALEDICENTIS VOTO, QUI OMNIUM SALUTEM OPTABAT, SED DIVINO JUDICIO, ET HELIAE TYPO ATROCIBUS INJECIT : QUATENUS SANCTORUM CONTEMPTORES TARN IN IPSIS QUAM IN OMNIBUS POSTERIS SUIS DEBETA PAENA REDARGUERET, QUI VITAE MANDATA REPULISSENT. FAMA EST ILLOS EFFULMINANDOS PROMINENTES MARINORUM PISCIUM CAUDAS SANCTIS APPENDISSE ; ET ILLIS QUIDEM GLORIAM SEMPITERNAM PEPERISSE, IN SE VERO IGNOMINIAM PERENNEM RETORSISSE, UT HOC DEDECUS DEGENERANTI GENERI, NON INNOCENTI ET GENEROSAE IMPUTATUR PATRIAE.

Gotselin, Liba Major de Vita S. Augustini, Saeculum, I., fol., Paris, 1668.

Übersetzt:
Das sündige Volk ließ sich hier von Dunkelheit blenden und sie hassten das göttliche Licht, nicht nur in dem, was gesagt wird, sondern auch was geschrieben steht. Die Wahrheit wurde völlig verspottet und die Heiligen Gottes wurden geschmäht und ausgebuht, ihnen wurde alle Ihre Besitztümer und ihr Erbe genommen, keine Hand oder Gedanke wurde gespart. Aber die Nachricht vom Gebot Gottes und das Beispiel der Apostel, die den Staub ihrer Füße abschüttelten gegen diese Menschen, weil sie ihrer Bestrafung würdig waren. Aber es wurde ihnen kein Leid zugefügt, denn ihnen wurde Heil zugewünscht und es Gottes Urteil überlassen, da Helio (Helia?) trotz das Ausmaß ihrer Heiligkeit, das Maß ihrer Strafe bemessen würde, sowohl für sich selber als auch für ihre Nachkommen, da sie die Gebote des Lebens ablehnten. Und es wird gesagt, dass sie, die aus dem Wasser von den Fischen kamen, Heiligkeit begehrten und sie haben nun ewige Heiligkeit erhalten, weil sie in der Lage waren, sich der ständigen Stigmatisierung zu entziehen, trotz des Kampfes um das Land, das ihre Unschuld und Großzügigkeit ablehnte.

Diese Geschichte zeigt schon einige kleinere Unterschiede zu der des William of Malmesburys und Walter of Coventrys.

Um eine mögliche Verwirrung aufzuklären … Der hier genannte Augustinus ist nicht der viel berühmtere Sankt Augustinus, der auch bekannt ist als Augustinus von Hippo (354 – 430), der durch seine Veröffentlichungen einen großen Einfluss hatte auf die Entwicklung des Christentums in Westeuropa hatte. Der hier gemeinte Augustinus ist Augustinus of Canterbury, der 605 starb und ebenfalls heilig erklärt wurde, und im hohen Maß verantwortlich war für den Übertritt der Bewohner Kents zum Christentum. Er war der erste christliche Missionar der (offiziell) in das Land der Angelsachsen kam.

Es ist gut möglich, dass obige ‚Heliae-Geschichte‘ an Gotselin überliefert wurde als eine der Geschichten über Wunder, die dieser englische Augustinus bewirkt haben soll. Ob Gotselin sich dabei auf lokale Erzählungen stützte, einen älteren, verloren gegangenen Text mit dieser Geschichte oder Teile davon frei erfunden hat, ist nicht bekannt. Aber da die gleiche Geschichte auch anderswo auftaucht mit Variationen in Bezug aud den Götternamen, ist eine ältere lokale Geschichte als Quelle sehr gut möglich.

William of Malmesbury

Dieser englische Historiker aus dem 12. Jahrhundert (um 1095/96–um 1143) wird als vorzüglicher Autor angesehen und oft mit Beda dem Ehrwürdigen auf die gleiche Stufe gestellt. Sein Zuhause als Mönch war die Abtei Malmesbury  im englischen Wiltshire. Sein Interesse war vornehmlich gerichtet auf das Handeln der Könige und Bischöfe Englands und entsprechend heißen zwei seiner Werke:

Gesta pontificum Anglorum (Taten der englischen Bischöfe)

Gesta regum Anglorum (Taten der englischen Könige.).

Dieser Historiker war dafür bekannt, dass er ein sorgfältiger und verlässlicher Historiker war (so verlässlich wie möglich mit den Quellen, über die er verfügte), der betonte, dass er nach alten Aufzeichnungen suchte und diese präsentierte; es war nicht seine Absicht der Welt seine eigenen Kenntnisse zu zeigen, sondern historische Informationen darzulegen.

Seine Beschreibung der Cerne-Geschichte, vergleichbar mit der von Gotselin wurde um 1140 geschrieben und enthält, auf Helith bezogen:

SED LOCO ILLO VIRTUS HESIT DEMONIS CONFLATA INVIDIA QUI TANTIS ANIMARUM LUCRIS DOLERET. AGGREDIUNTUR ERGO VIRUM ET SOTIOS FURIATIS MENTIBUS INCOLAE, ET MAGNIS DEHONESTATUM INJURIIS, ITA UT ETIAM CAUDAS RACHARUM VESTIBUS EJUS AFFIGERENT, IMPELLUNT, PROPELLUNT, EXPELLUNT.

Übersetzt:
Also begab sich Augustinus zu dem Bezirk, den ich vorhin nannte und er bewirkte, dass die Zahl der Christen zunahm, indem er (dort) häufig plünderte auf Kosten des Teufels. Aber hier wurde seine Tugend auf der Probe gesellt. Denn durch das Gewinnen der vielen Seelen wurde den Neid des Teufels geweckt. Entsprechend überfielen die Einheimischen in einem Rausch der Raserei den Mann und seine Begleiter, beleidigten ihn mit verletzenden Beschimpfungen, sie befestigten sogar Fischschwänze an seinen Kleidern und jagten ihn auf und davon.

Malmesbury, Gesta Pontificum, Volume I: Text and Translation,
edited and translated by M. Winterbottom, New York, 2007.

Es handelt sich hier offensichtlich um die gleiche Geschichte, die auch Gotselin erzählt. Aber wo Gotselin noch den Namen des heidnischen Gottes nannte, heißt er jetzt ‚Teufel‘; diese Art heidnische Götter zu dämonisieren, bei Höllengebrut einzuordnen, war zu der Zeit kein unübliches Verhalten. Man drückte damit aus, dass alle ‚Gegner‘ des christlichen Gottes teuflischer Natur seien, und zudem sollten alle Namen heidnischer Gottheiten aus dem Gedächtnis verschwinden.

Seit Gotselins Bericht mögen um die 70 Jahre verstrichen sein, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass beide für die Cerne-Erzählung die gleiche Quelle benutzten, diese scheint aber nicht sehr detailliert gewesen zu sein, denn die beiden Versionen sind ein gutes Beispiel dafür, wie eine Sage im Laufe der Zeit wächst und sich ändert:

  • Drei Meilen wachsen zu fünf;

  • ein spiritueller Rückzug aus den Turbulenzen und Gewalt zu Abgeschiedenheit und Ruhe wird verwandelt in einer mühsamen Reise durch Wüste und unbewohnter Gegend, wo man gequält wird von Hunger, Durst und Müdigkeit;

  • eine geistige Wahrnehmung des göttlichen Wesens wächst zu einer tatsächlichen sichtbaren Erscheinung;

  • eine rückschrittliche Änderung und Reue in den Herzen der Dorfbewohner entwickelt sich zu einer Bestrafung, die auch auf die Nachkommen übergeht und kriminelle Handlungen, bei denen Fischschwänze auf dem Rücken befestigt werden..

Übersetzt aus: Proceedings of the Dorset natural history and antiquarian field club, volume XXII Dorset, 1901.

Walter of Coventry

Walter of Coventry, dessen Zenit als Autor in den letzten zehn Jahren des 13. Jahrhunderts lag, war ein englischer Mönch. Er war kein professioneller Chronist und Historiker, sondern sein Name wurde hauptsächlich überliefert wegen seiner Sammlung von Berichten und Aufzeichnungen anderer Autoren und wurde herausgebracht unter den Namen: „MEMORIALE FRATRIS WALTERI DE COVENTRIA“.

Über Helith schrieb er:
IN DORSETENSI PAGO SUNT ABBATIAE KERNELIENSIS, MIDDILTUNENSIS VIRORUM, SCEAFTONIENSIS FEMINARUM; IN QUO PAGO OLIM COLEBATUR DEUS HELITH. SED PRAEDICANS IBIDEM VERBUM DEI, SANCTUS AUGUSTINUS VIDIT MENTIS OCULI DIVINAM ADESSE PRAESENTIAM HILARISQUE FACTUS, AIT ‚CERNO DEUM QUI NOBIS SUAM RETRIBUET GRATIAM.‘ EVENTUS VEL POTIUS VERBUM KERNELLIIENSI LOCO INDIDIT VOCABULUM UT VOCATUR KERNEL, EX DUOBUS VERBIS HEBRAICO ET LATINO, QUOD HEL DEUS DICATUR HEBRAICE.

Übersetzt:
In der Grafschaft Dorset sind die Abteien von Cernel [Cerne] und Middleton [Milton], und das Nonnenkloster von Shaston [Shaftesbury], und in diesem Bezirk wurde einst der Gott Gelith verehrt, aber die Verkündigung des Wortes Gottes an der gleichen Stelle, wo Sankt Augustine vor seinem geistigen Auge eine göttliche Gegenwart sah, und nachdem sich überglücklich fühlte, sagte er, „ich habe Gott gesehen, der seine Gnade hier an uns wiederherstellt.“ Durch dieses Ereignis oder Wort bekam den Platz den Namen Cernel, ein Wort das aus zwei Teile besteht, ein Teil ist Hebräisch und ein zweites Teil Latinisch; denn El steht für Gott auf Hebräisch.

Übersetzt aus Quelle 1: COMPUT MINISTRORUM DOMINI REGIS TEMP. HEN. VIII. (Abstract of Roll, 32 Hen. VIII. Augmentation Office.) p. 625. 16th Century.

Und Quelle 2: „Memoriale fratris Walteri de Coventria“, Vol. 1, Publication 58 of Rerum Britannicarum medii aevi scriptores Memoriale fratris Walteri de Coventria,
Memoriale fratris Walteri de Coventria Author: Walter (of Coventry), published by William Stubbs, publishing company: Longman, 1872

Weshalb der Übersetzer das ‚H‘ von Helith änderte in ein ‚G‘, so das es Gelith wird, ist nicht deutlich; aber nach dem altenglischen Ausdruck „lífwynne geliden“ (die Freude des Lebens strömte weg), Gelid (Gelith) könnte bedeuten ‚wegfließen, wegströmen, abfließen‘, und das könnte hinweisen auf den Fluss Cerne, der dort nahe strömte. Das scheint doch schon eine weit hergeholte Vermutung zu sein. Es ist eher anzunehmen, das es der Uneinheitlichkeit der Grammatik- und Rechtschreibsregeln der kirchenlateinischen Grammatik zugeschrieben werden kann durch die Jahrhunderte und die verschiedenen geographischen Gebiete.

John Leland

Der Dichter und Antiquar John Leland, auch Leyland geschrieben (1502/3–1552), hat sich bemerkenswert beschäftigt mit örtlicher englischer Geschichte. Eine Sammlung seiner Werke wurde veröffentlicht im Jahr 1707 (1774) in sechs Bänden unter dem Namen „JOANNIS LELANDI ANTIQUARII DE REBUS BRITANNICIS COLLECTANEA“, und wurde von Thomas Hearne bearbeitet.

In Band 1 auf Seite 285 wird Helith genannt:

DEUS HELITH COLEBATUR IN PAGO DE CERNEL, TEMPORE AUGUSTINI, ANGLORUM APOSTOLI,

Übersetzt:
Der Gott Helith wurde verehrt im Dorf Cernel zur Zeit des Augustinus, Apostel der Engländer.

Es ist sehr wahrscheinlich dass Leland mindestens eine der zuvor genannten Quellen für seine Ausgabe benutzte.

William Camden

Der Historiker, Topograph und Waffen-Offizier William Camden (1551–1623) veröffentlichte nach fast zehn Jahren Forschung die erste Ausgabe seines lateinischen Werkes BRITANNIA, ein topographischer und historischer Bericht über Großbritannien und Irland.

Auch Camden vermeldet dieselbe ‚Cerne‘ Gottheit, aber er gibt dem den Namen „Heil“:
5. IN HUIUS SINUS OCCIDENTALEM ANGULUM FROME NOBILE HUIUS TRACTUS FLUMEN EVOLVITUR, SIC VULGUS DICIT, ANGLO-SAXONES VERO, TESTE ASSEIRO, FRAU DIXERUNT, UNDE FORTASSE CUM SINUS ISE FRAUMOUTH OLIM DICERETUR, CREDIDERUNT POSTERI FROME ESSE FLUMINI NOMEN. FONTES HOC HABET AD EVARSHOTT PROPE OCCIDUUM HUIUS COMITATUS LIMITEM, UNDE IN ORTUM AQUAS AGIT PER FROMPTON, CUI NOMEN IMPERTIIT, ET RIVULUM A SEPTENTRIONE ADMITTIT PER CERNE MONASTERIUM DEFLUENTEM, QUOD AEDIFICAVIT AUGUSTINUS ILLE ANGLORUM APOSTOLUS CUM HEIL GENTILIUM ANGLO-SAXONUM IDOLUM IBI COMMINUISSET, SUPERSTITIONUMQUE TENEBRAS FUGASSET.

5. Im westlichen Winkel dieser Bucht fließt der größte und bekannteste Fluss dieser Gegend gewöhnlich die Frome genannt, aber die englischen Sachsen nannten ihn ‚Frau‘ wie es Asseruis bezeugt. Das kommt vermutlich daher, dass diese Bucht in alten Zeiten ‚Fraumouth‘ hieß. Die Nachwelt änderte das dann in den Namen Frome. Er fängt an bei Evarshot, nahe an der Westgrenze dieses Bezirks, führt dann nach Osten und strömt durch Frompton, der auch den Fluss seinen Namen gab. Aus dem Norden fließt ein kleiner Fluss in die Frome. Dieser kommt aus der Richtung der Abtei Cerne, die von Augustinus, dem Apostel der englischen Nation erbaut wurde, als er dort Heil, den Abgott der heidnischen englischen Sachsen zerschlug und den Nebel des heidnischen Aberglaubens vertrieb.

Übersetzt aus 1: Britannia, Chapter: DUROTRIGES – Dorsetshire
und aus: 2: http://www.philological.bham.ac.uk/camden/

Auch hier ist es nicht klar weshalb Camden den Namen ‚Heil‘ benutzt, abweichend von den früher benutzten Namen. Möglicherweise interpretierte er zuerst den Namen als Omen oder Gesundheit, abgeleitet aus dem altenglischen hǽl, aber das ist nur eine luftige Vermutung. Eine Mutmaßung von sogar noch weniger Gehalt ist, dass das Wort aus dem Althochdeutschen stammt, wo es Glück, Gesundheit oder Vorzeichen bedeutet.

Sir Flinders Petrie

Der Engländer William Matthew Flinders Petrie (1853–1942), später Sir Flinders Petrie, Ägyptologe von Beruf und Vorreiter der systematischen Methodenlehre in der Archäologie. Er wurde auch bekannt als ein Vorkämpfer für die Erhaltung archäologischer und historischer Artefakte. Außer seinen vielen ägyptologischen Publikationen forschte er auch im eigenen Land. Über Helith schrieb er:

Es scheint also, dass diese Anlage einen religiösen Charakter hatte, wegen der Verehrung eines Pfahlgottes, die dort einst stattfand. Und dies wirft ein Licht auf den Zweck der Figur des Riesen, mit dem die Anlage anscheinend verbunden ist. Mögliche weitere Information kann von Walter von Coventry entnommen werden, der im dreizehnten Jahrhundert schrieb, dass Cerne läge „in Dorsetensi pago“, „in quo pago olim colebantur deus Helith.“ (GS.: In der Grafschaft Dorset … und in diesem Bezirk wurde einst der Gott Helith verehrt). Das Zitat mag uns den frühmittelalterlichen Namen des Riesen vermitteln.

Übersetzt aus: „The Hill Figures of England“, by W. M. Flinders Petrie, F.R.S., F.B.A. London: published
by the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. London, W.C. 1926.

Der Autor zitiert hier William of Coventry. Die vermutete Verbindung von Helith mit einem Riesen ist weiter unten besprochen.

So weit die wichtigsten Quellen. Es gibt noch viel mehr Werke, die Helith nennen, die meisten stammen aus der Zeit ab etwa dem 17. Jahrhundert bis in das 20. Jahrhundert hinein. Aber alle zitieren die hier schon vorgestellten mittelalterlichen Quellen oder erzählen dasselbe in ihren eigenen Worten. Weil es eigentlich wenig detaillierte Informationen über Helith gibt, bleibt viel Freiraum für Spekulationen und eigene Interpretationen und dieser Raum wurde schon ausgiebig benutzt. Weitere Quellen würden keine wichtige zusätzliche Informationen bieten und deshalb ist es jetzt an der Zeit, uns einigen Einzelheiten zu widmen, die in den Quellen genannt werden.

Einige Helith-Einzelheiten

Cerne

Dieser Name erscheint noch in verschiedenen anderen Schreibweisen, wie z.B. Cornel, Cerno, Cerneli und noch einige lateinische Formen. Der Agelsächsische Name könnte Cernel gewesen sein, analog dem altenglischen Satz:

Ic Ælfríc, munuc and mæssepreóst… wearþ asend, on Æðelrédes dæge cyninges, fram Ælfeáge biscope, Aðelwoldes æftergengan, to sumum mynstre, ðe is Cernel gehaten, þurh Æðelmæres bene ðæs þegenes …

Übersetzt:
Ich Ælfric, Mönch und Messen-Priester …wurde zur Zeit des Königs Aethelred von Bischof Ælfeah, der Nachfolger Aethelwolds, zu einer Klosterkirche geschickt, die Cerne genannt wird, zum Gebiet des Lehnsmanns Æthelmær …

Das bezeugt das der Name im Altenglischen vorkommt, er erklärt aber noch nicht seine Bedeutung. Vielleicht hängt sie zusammen mit dem altenglischen Begriff Cernan, der hinweisen kann auf ‚wogende Gewässer‘ und auf den nahen Fluss, ein etwa 16 Kilometer langes Gewässer im englischen Dorset.

Obwohl öfters angenommen wird, dass der Name ‚Cerne‘ abgeleitet ist von den keltischen Gott Cernunnos, ist das nicht wirklich wahrscheinlich, denn wir kennen diesen Name nur vom Pariser Nautenpfeiler, einer in Frankreich gefundenen gallisch-römischen Säule aus dem 1. Jahrhundert. Dieses Monument liefert die einzige unangefochtene schriftliche Aufzeichnung dieses Götternamens. Ob dieser Gott in England je bekannt war und verehrt wurde, kann nicht eindeutig festgestellt werden, obwohl gerade in den letzten Jahrzehnten versucht wurde, das fast leidenschaftlich zu beweisen.

Cerne Abbas …

… ist der Name eines Dorfes im Flusstal der Cerne in Zeltral-Dorset, Es wurde um die Benediktinerabtei Cerne herumgebaut. Der Abtei wurde im Jahr 987 gegründet vom Benediktiner-Abt, Autor und Prediger Ælfric of Eynsham .

Der Fluss Cerne …

… strömt von den Kreidefelsen der Dorset Downs bei Minterne Magna auf einer Länge von 16 Kilometern durch das Tal, wo Cerne Abbas liegt und fließt dann bei Dorchester in die Frome.

Der Riese

Eins der berühmtesten Phänomene von Cerne Abbas ist der Riese, eine unbekleidete Figur, etwa 55 m groß. Diese wurde in einen Hang aus Kreidefelsen gemeißelt. Über das Alter dieses Riesen wurde schon lang und breit spekuliert. Einige meinen, es sei ein Fruchtbarkeitssymbol aus der Eisenzeit (für England ist das der Zeitraum 800 vdZ.– 500 dZ.). Innerhalb der entsprechenden Wissenschaften wird das aber weitestgehend abgelehnt. Es wäre auch einfach zu unwahrscheinlich, dass die Mönche des nahe gelegenen Klosters so ein heidnisches Symbol toleriert hätten. Es wurde nachgewiesen, dass das Gebiet in der Eisenzeit schon bewohnt wurde, aber weil der Riese nirgendwo vor dem 17. Jahrhundert bezeugt wurde, gibt es keine Bestätigung, dass der Riese so alt wäre. Der älteste Verweis steht in einem Dokument von 1694, in dem geschrieben wird über die Kosten für die Sanierung des Riesen, was alle 30 Jahre passieren musste.

Das deutet auch auf den Umstand, dass so eine Kreidefelsenfigur, wenn sie nicht aktiv unterhalten wird, innerhalb von hundert Jahre fast verschwunden wäre. Archäologische Forschung bestätigt die Plausibilität einer viel jüngeren Herkunft.

Es wird erzählt, dass einer Denzil Holles, der das Land dort besaß, in der Zeit zwischen 1654 und 1662 den Riesen hat meißeln lassen als Spötterei auf Oliver Cromwells Ruf, Englands Herkules zu sein. Es gibt einige Hinweise für die Richtigkeit dieser Geschichte.

Das jüngere Alter des Riesen wird auch dadurch unterstützt, dass zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert in dieser südenglischen Region mehrere solche Kreidefelsenfiguren ausgemeißelt wurden.

Eine anderer schriftlicher Verweis zu dem Riese ist von 1751, wenn der Pastor John Hutchings ihn erwähnt in seinem ‚Dorset-Führer‘. Er schrieb Dr. Lyttleton, dem Bischof von Exeter, dass es eine Figur riesigen Ausmaßes gäbe am Hang und Eingesessene  ihm erzählt hätten, dass sie 1539 ausgemeißelt worden sei. In diesem Jahr wurde das Kloster aufgelöst und die Figur sollte Thomas Corton, den boshaften Abt, darstellen. Das große Glied sollte auf seinen lüsternes Verhalten hinweisen, der Knüppel auf seinen Ruf, sich auf grausame Weise zu rächen und die Füße, die in entgegengesetzte Richtung des Dorfes zeigen, darstellen, dass er vertrieben wurde.

Übersetzt nach: http://www.mythography.com/forums/index.php?showtopic=1574

In dieser Quelle steht auch, dass der römische Gott Herkules ein anderer Anwärter sei für den Riesen. 1764 schrieb William Stukely, dass Menschen in der Gegend den Riesen „Helis“ nannten. Ein anderer Autor aus derselben Zeit schrieb, dass dort seit dem 6. Jahrhundert der Gott Helis verehrt würde und dass Helith und Helis Verballhornungen seien des Namens Hercules, was in einer lokalen Version als HERCULES – HETETHKIN vorkäme, ein weiter nicht auffindbarer Name für einen lokalen Hercules.

Über diesen Riesen wurde noch viel mehr geschrieben, aber zum Abschluss eine letzter ‚Theorie‘ aus den 1930er Jahren, die besagt, dass Helith identisch sei mit König Herla in Walter Maps Bericht aus dem 12. Jahrhundert. Herla, der Anführer der Wilden Jagd wurde und seinerseits wieder in Verbindung gebracht wurde mit der französischen Sage über Herlechin – die Geschichte über ein Heer der verdammten Toten und deren riesigen Warner. (Sehe dazu: „Wilde Jagd und Wütendes Heer,“ S. 39Ff und 49ff.)

Bildbeschreibung:Luftfoto des  Abbas-Riesen von Cerne, aufgenommen aus einer Cessna 150 mit einer Olympus C1400L digitalen Camera am
7. Oktober 2001. Fotograf: PeteHarlow, lizensiert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported. Quelle: Wikimedia commons.

Der Brunnen

Der berühmte Brunnen bei Cerne Abbas, bekannt unter den Namen Sankt Agustinusbrunnen oder auch Sankt Austinsbrunnen hieß früher  Silberbrunnen. Es gab diesen Brunnen anscheinend schon bevor das Kloster und das Dorf entstanden. Eine Geschichte erzählt über einen Sankt Edwald, Mitglied der königliche Familie der Mercians, der in 571 verstarb und….

“dem in einer Vision gesagt wurde, er solle zu dem Silberbrunnen reisen. Als er nach Cerne kam, schenkte er einem Hirten Silbermünzen im Tausch für Brot und Wasser und der Mann zeigte ihm den Brunnen, den er erkannte und damit hatte sich seine Vision bewahrheitet.”

Übersetzt nach: J.M. Harte at http://people.bath.ac.uk/liskmj/living-spring/sourcearchive/fs1/fs1jh1.htm

Wegen dem Ruf des Brunnens, sein Wasser habe heilende Wirkung, wird manchmal eine Verbindung mit Helith gesehen, dessen Name in einer der Deutungen auch mit Gesundheit und Heilung in Zusammenhang gebracht wird.

Der oben genannt Quelle beschreibt auch einige alte Bräuche um diesen Brunnen:

Ein Kolumnist einer Zeitung aus 1850 wies etwas verziert auf den lokalen Glauben, dass

Frauen, die aus den Brunnen getrunken hatten, schwanger würden. Auf dem gleichen Glauben beruht vermutlich die Überzeugung, dass es sich auch um einen Wunschbrunnen handelt für Frauen, die sich einen Ehemann wünschen. Mädchen sollten dazu aus dem Brunnen trinken und dabei ihre Hand auf einen Stein des Brunnens legen, der ein Wunschstein war und dann zu Sankt Katharina beten und einen Ehemann erbitten.

In einer anderen Version ist der Brunnen einfach generell einen Wunschbrunnen. Man sollte aus Lorbeerblättern eine Tasse formen, diese mit Wasser füllen und das trinken, während man mit dem Gesicht zu der Kirche im Süden steht und dabei den Wunsch äußern. (Beide Traditionen 1850).

Dieser Glaube wird wohl vermischt mit dem Brauch, die heilige Katharina auf einem Hügel südlich des Dorfes, wo ihre verloren gegangene Kapelle gestanden haben soll, im Gebet um einen Ehemann zu bitten; auch gibt es da eine Vermischung mit dem Brauch den Riesen Cerne anzurufen, um Sterilität zu heilen: zwischen dem Hang mit dem Riesen und dem Brunnen liegt nur ein Acker.

Abschließende Überlegungen

Bezüglich des Gottes

Welcher der aufgeführten Namen des Gottes nun auch der Richtige sei, sie zeigen alle auf eine angelsächsische Herkunft. Dieser Gott ist uns nur dadurch überliefert worden, dass Augustinus anscheinend eine dem Gott gewidmete Statue oder ein anderes physisches Symbol zerstört hat und damit zeigen wollte, dass der christliche Gott mächtiger ist als ein heidnisches Symbol. Das sollte das Volk dazu bringen, den Glauben zu wechseln; die ganze Geschichte wurde jedoch aufgeschrieben, damit bewiesen war, dass Augustinus Wunder wirken konnte.

Wenn man skeptisch ist gegenüber zu derartigen Wundern, könnte der Gedanke aufkommen, das alles sei nur ausgedacht von einem Geschichtenerzähler, um Augustinus zu unterstützen. Auch wenn das stimmen würde, auch solche Geschichten brauchen ein Mindestmaß an Beweis; die geographischen Angaben und der Name wären so ein Minimum, denn wenn es solche erkennbar richtige Angaben nicht gäbe, wäre die Geschichte kaum glaubhaft für die Zeitgenossen von Augustinus.

Deshalb auch ist es anzunehmen, dass Helith ((Helið, .etc.) als ein heidnischer Gott der frühen Angelsachsen in Südwest-England existierte. Der Name des Gottes könnte mit Worte wie ‚Held‘ und ‚Krieger‘ zusammenhängen und das könnte auf einen Gott des Krieges hinweisen. Der Name könnte aber auch auf ‚Gesundheit‘ und ‚Heilung‘ hinweisen und dann könnte es sich um einen Gott der Heilung handeln. Eine Quelle aus dem Jahr 1820, „A Walk Around Dorchester“ von James Criswick nennt diesen Gott den „ Saxon Esculapius, or preserver of health“, d.h. Sächsischen Äskulap oder Bewahrer der Gesundheit. Criswick zitiert hier aus „The Worthies of England“, dreibändiges Werk von Thomas Fuller (1608–1661). In Band II schreibt Fuller auf Seit 98, übersetzt:

“In diesem Landkreis liegt in der Nähe von St. Neots ein unbedeutendes Dorf das Haile-Weston heißt. Der erste Teil des Namens zeigt auf die Macht zu heilen. Die Zugabe eines Buchstabens hat wohl diese Bedeutung verschleiert, denn

  • 1. Aile deutet auf einer Wunde oder Verletzung, für die der Wunsch zur Heilung geäußert wird
  • 2. Haile hat eine Affinität mit ‚Heile‘, dem sächsischen(?) Abgott für Äskulap. Es beinhaltet ein Heilverfahren oder ein Medikament für ein Leiden.”

Das hier gemeinte Dorf heißt heute ‚Hail Weston‘ und liegt südwestlich der Stadt Huntingdon im Landkreis Cambridgeshire. Wenn die Verlässlichkeit dieser späten Quelle (Fuller) einmal außer acht gelassen wird, dann könnte der Bericht bedeuten, dass ‚Heile‘ / ‚Helith‘ nicht nur an der Cerne verehrt wurde, sondern seine Anhänger über ein größeres Gebiet verbreitet wohnten.

Da die altenglische Worte hæle and hæleþ, die auf ‚Held‘ hinweisen letztendlich auf die gleichen Begriffe zurückgehen wie die Worte für ‚heilig‘, ‚heilen‘ und ‚Gesundheit‘ könnte es sich demnach doch um einen Gott der Heilung handeln. Auch darf nicht ausgeschlossen werden, dass der Namen einen Zusammenhang haben könnte mit den Begriffen ‚Glück‘ oder “glückliche Fügung‘. Das mittelenglische héle bedeutet sekundär ‚Glück‘, ‚Glücksfall‘, ‚Profit‘ und ‚Gewinn‘.

Es ist auch noch möglich, dass der Gott Helith für all dies zuständig war, ein Gott der Helden und des Kampfes, der Heilung der auch Glück und Gewinn schenkt. Jedenfalls, die Begriffe, aus denen sich die möglichen Ursprünge des Namens herleiten umfassen ein ganzes Spektrum von Helden, Heilung, Gesundheit und Glück, und damit ist es schwierig zu bestimmen, welches die richtige Bedeutung des Namens ist. Zwar mag die Zuweisung zu ‚Held‘ und ‚Kampf‘ am wahrscheinlichsten sein, aber eine Verbindung mit Gesundheit und Heilung kann nicht ausgeschlossen werden, und das gilt auch für Fullers Verweis auf den ’sächsischen Äskulap‘. (Aesculapius / Asklepios ist in der griechischen Mythologie der Gott der Heilkunst).

Zusammenhang zwischen Helith und dem Riesen

Es gibt weder akzeptable Indizien noch irgendwelche nachvollziehbare Hinweise, die die Vermutung unterstützen, dass der Gott Helith durch den in Kreide gemeißelte Riesen bei Cerne Abbas dargestellt wird. Ohne wenigstens solche Hinweise ist es müßig, weiter nach einem Zusammenhang zu suchen.

Zusammenhang zwischen Helith und dem Brunnen

Es gibt keine Berichte oder Aufzeichnungen, die hinweisen könnten auf irgendeinen Zusammenhang zwischen dem Gott und dem Brunnen. Jeder Versuch so einen Zusammenhang sehen zu wollen, geht nicht über Raten hinaus und das ohne unterstützende Indizien oder Hinweise. Dennoch, generell waren Brunnen damals Wallfahrtsorte, weil sie gesehen wurden als Plätze, wo das Wasser Heilkraft besaß. Es wäre nicht abwegig, eine Verbindung zu sehen mit dem Brunnen, der sich so nah am Ort der Verehrung des Gottes befand. Aber darüber kann man in diesem Fall nur mutmaßen.

Weil alle Berichte über Helith sich stützen auf die entsprechende Geschichte des Augustinus und sich  von einander nur durch Unterschiede in Einzelheiten unterscheiden, gibt es weiter nicht viel an Wissen über diesen Gott. Sogar die verschiedenen Variationen des Namens bringen nur Verwirrung. Wenn man hier sicher gehen möchte, dann bleibt allein die Aussage, dass es sich bei Helith entweder um einen Gott der Heilung oder einen Gott der Helden und des Kampfes handelt, der vielleicht mit Glück und gutem Gelingen zusammenhängt.

Bildbeschreibung: Cerne Abbas: Der Fluss Cerne Die Cerne schlängelt sich im Süden durch das Dorf. Von: geograph.org.uk Fotograf: Chris Downer, 1999. Das Bild stammt aus der “Geograph project collection”. Das Copyright auf das Bild gehört Chris Downer und es ist freigegeven für weitere Verwendung unter der “Creative Commons Attribution-ShareAlike 2.0 license”.

Bibliography

Bücher

Zusätzlich zu den Büchern, die schon zuvor im Text erwähnt wurden, wurden folgende Werke als Quellen benutzt:

Castleden, Rodney, The Cerne Giant, Dorset, 1996.

GardenStone, Wild Hunt and Furious Host, Norderstedt, 2013.

Hutton, Ronald, The Pagan Religions of the Ancient British Isles (reprint), Oxford, USA, 1998.

John T. Koch, Celtic Culture: A Historical Encyclopedia, Vol. 1, Santa Barbara, USA, 2006.

Lees, Clare A., Tradition and Belief, religious writing in late Anglo-Saxon England, Minneapolis – London, 1999.

Malmesbury, Gesta Pontificum, Volume I: Text and Translation, edited and translated by M. Winterbottom, New York, 2007.

Olsen, Brad, Sacred Places Europe: 108 Destinations, San Francisco, 2007.

Orel, Vladimir, A Handbook of Germanic Etymology, Brill, Leiden – Boston, 2003.

Prees, David (Transl.), William of Malmesbury, The Deeds of the Bishops of England, (GESTA PONTIFICUM ANGLORUM) Woodbridge, 2002.

Siebs, Benno Eide, Die Personennamen der Germanen, Wiesbaden 1970.

Stotz, Peter, Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, Band 3, Lautlehre, C.H. Beck, Munich, 1996.

PDF-Bücherdateien

Anglia_sacra.pdf

Anglia sacra sive collectio historiarumpars prima, Londini, MDCXCI.

Anglia_sacra_sive_Collectio_historiarum.pdf

Anglia sacra sive collectio historiarum, pars secunda, Londini, MDCXCI.

Contains e.g. Goscelini, Historia Minor de Vita S. Augustini.

Britannia.pdf

William Camden’s Britannia, MDCXVL

De_rebus_Britannicis_collectanea_cum_Tho.pdf

Joannis_Lelandi_antiquarii_de_rebvs_brit.pdf

Antiquarii de rebus Britannicus, by John Leland, London, MDCCLXXIV edited by Thomas Hearn

Gesta Pontificum anglorum.pdf

William of Malmesbury, Gesta pontificum Anglorum, in: Rerum Britannicum medii AEVI scriptores, or chronicles and memorials of Great Britain and Ireland, during the Middle Ages, 1857.

Gesta_regum_Anglorum.pdf

William of Malmesbury, Gesta regum Anglorum, in an edition of MDCCCXL

Dugdale-Monasticon (Vol. 2 Part 034 Cerne).pdf

Cerne, or Cernell Abbey in Dorsetshire, a chapter of:Monasticon Anglicanum, A history of the abbies and other monasteries, hospitals, frieries, etc., in England and Wales, 2nd volume, 1819.

Helith-memorialefratris01walt_bw.pdf

The historical collections of Walter of coventry, edited by William Stubbs, in: Rerum Britannicum medii AEVI scriptores, or chronicles and memorials of Great Britain and Ireland, during the Middle Ages, 1857.

kingship_in_malmesbury_(history).pdf

William of Malmesbury on Kingship, Björn Weiler, Oxford, 2005.

proceedings22dorsuoft.pdf

Proceedings of the Dorset natural history and antiquarian field club, volume XXII Dorset, 1901.

Rerum_Britannicarum_medii_aevi_scriptore.pdf

Matthew Paris, Historia Anglorum, 1246-1253 in: Rerum Britannicum medii AEVI scriptores, or chronicles and memorials of Great Britain and Ireland, during the Middle Ages, 1857.

William_of_Malmesbury_s_Chronicle_of_the.pdf

English translation of Gesta_regum_Anglorum

Webseiten

In Februari 2013 wurden folgende Webseiten besucht und als Quellenmaterial für diesen Beitrag verwendet:

http://www.koeblergerhard.de/publikat.html

http://inamidst.com/notes/cerne

http://www.britainexpress.com/counties/dorset/ancient/cerne-abbas.htm

http://www.darkdorset.co.uk/the_dorsetarian/0/cerne_abbas

http://dspace.dial.pipex.com/town/avenue/pd49/places/wells/silver.htm

http://darkdorset.co.uk/silver__well

http://people.bath.ac.uk/liskmj/living-spring/sourcearchive/fs1/fs1jh1.htm

http://www.cantab.net/users/michael.behrend/repubs/petrie_hfe/pages/main.html

http://www.philological.bham.ac.uk/cambrit/contents.html

http://everything.explained.at/Goscelin/

http://www.cantab.net/users/michael.behrend/repubs/petrie_hfe/pages/main.html#giant

http://oreald.com/b3/ch43.html

http://www.users.globalnet.co.uk/~pardos/GSNews7.html

http://en.wikipedia.org/wiki/Cerne_Abbas_Giant

http://www.omniglot.com/writing/oldenglish.htm

FINIS